Nachdem ich vor kurzem sehr erfüllt und begeistert aus einem Theaterstück gekommen bin, hier ein paar Worte dazu, warum Theater mir so wichtig erscheint.
Theater kann gesellschaftlich und persönlich relevante Geschichten unterhaltend erzählen und hat meiner Meinung nach eine viel tiefere Wirkung als ein Film, weil es so viel unmittelbarer ist. Die Intensität zwischen Publikum und Schauspielern ist ungleich größer und viel leichter herzustellen als im Kino bzw. kann überhaupt erst hergestellt werden. Ein Film, egal wie intensiv erlebt, ist letztendlich doch immer ein einseitiges Erlebnis.
Warum aber macht dann ein Theaterbesuch oft gar keinen Spaß, ist mehr ein 'intellektuelles Abenteuer', das einen im Grunde aber kalt lässt? Ulrich Tukur meint, er habe lange kein Theater mehr spielen wollen, weil „die Regisseure der eigentlichen Stärke des Theaters nicht mehr getraut [haben], seinem archaischen Zauber.“ Er fügt hinzu, er sei „damals ausgestiegen, als die Regisseure anfingen, sich über die dramatische Literatur zu erheben und in Ermangelung neuer und eigener Stücke fragmentierten und zerstörten, was mir wertvoll war. Sie haben die Figuren und Autoren nicht mehr ernst genommen und sich auf eine blasierte Art über vieles hinweggesetzt. Es wurde laut, hohl und blöd – kaum ein Theater mehr für die Zuschauer.“
Theater, das nicht für die Zuschauer gemacht wird und daher bei diesen auch nicht ankommt, macht sich aber selbst überflüssig. Dabei kann Theater den Zuschauer auf vielen Ebenen ansprechen: „It’s a cracking night that makes you laugh, think and feel – sometimes all at the same time.“ Charles Spencer rezensiert hier eine Aufführung des Stücks Hysteria von Terry Johnson. Man kann Aufführungen wie die von Hysteria altmodisch finden, weil sie dem Zuschauer nicht mehr abverlangen als zuzuhören und sich auf das Thema einzulassen. Der Zuschauer wird nicht 'wach gerüttelt', nicht schockiert, nicht aus seiner Welt gehebelt. Aber will das Publikum ständig 'wach gerüttelt' werden bzw. geht das überhaupt? Stumpft es dann nicht vielmehr komplett ab?
Ein englischer Zuschauer kommentierte die Inszenierung des innovativen Stücks Three Kingdoms wie folgt: „This is Sebastian Nübling’s show – which is really exciting to watch, but nothing to do with feeling, and all about spectacle.” Das Publikum wird zwar intellektuell unterhalten, aber seine Gefühle werden nicht erreicht. Ich bin überzeugt, dass man so keine nachhaltige Wirkung beim Publikum erzielt und außerdem viele Zuschauer abschreckt, die mehr wollen als nur auf intellektueller Ebene angesprochen werden. Zuschauer, die mehr wollen, sind nicht dümmer, sondern tatsächlich sogar anspruchsvoller. Braucht es so viel, um sie zufrieden zu stellen? Dazu noch mal Ulrich Tukur: „Du brauchst nur eine Glühbirne, zwei gute Schauspieler und einen tollen Text – und du kannst eine Welt erzählen.“
In der heutigen Zeit stellt sich auch immer gleich die Frage, ob im Theater nicht politisch Stellung genommen werden muss. Mir scheint das nicht das vorrangige Ziel. Ich glaube gerade jetzt, wo die Gesellschaft zusehends fragmentiert, hat Theater vor allem die Aufgabe – zumindest für die Zeit der Aufführung – die Zuschauer zu verbinden. Sven-Eric Bechtolf formuliert diesen Anspruch wie folgt: „Ich denke, dass dem Theater Moderation ansteht und nicht Beihilfe zur Eskalation, indem es die Vorläufigkeit, Zerbrechlichkeit und Bedürftigkeit all unserer Einsichten, Ansichten, ja, unserer ganzen Existenz mitfühlend aufzeigt.“
Zum Schluss noch die Empfehlung dreier Stücke, die mich nachhaltig beeindruckt haben. Da wäre zuerst einmal das schon oben erwähnte „Hysteria“ von Terry Johnson. Dann „Bad Jews“ von Joshua Harmon, das die für Juden und Deutsche gleichermaßen wichtige Frage stellt, wie werden wir uns langfristig adäquat an den Holocaust erinnern. Und zuletzt „Translations“ von Brian Friel, ein Stück, das viel mit Sprache bzw. der Übertragung von der einen in die andere Sprache spielt und gleichzeitig ein Stück irische Geschichte erzählt. Alle drei Stücke schaffen es, intelligent zu unterhalten und den Zuschauer auch emotional einzubinden. So bleiben sie und ihre Themen einem im Gedächtnis. Ist das nicht das Ziel?
Zitate von Ulrich Tukur aus einem Artikel von Ira Schaible in der Abendzeitung vom 28.12.2015
Zitat von Sven-Eric Bechtolf aus einem Interview mit Georg Etscheit aus der Abendzeitung vom 14.7.2016
Theater kann gesellschaftlich und persönlich relevante Geschichten unterhaltend erzählen und hat meiner Meinung nach eine viel tiefere Wirkung als ein Film, weil es so viel unmittelbarer ist. Die Intensität zwischen Publikum und Schauspielern ist ungleich größer und viel leichter herzustellen als im Kino bzw. kann überhaupt erst hergestellt werden. Ein Film, egal wie intensiv erlebt, ist letztendlich doch immer ein einseitiges Erlebnis.
Warum aber macht dann ein Theaterbesuch oft gar keinen Spaß, ist mehr ein 'intellektuelles Abenteuer', das einen im Grunde aber kalt lässt? Ulrich Tukur meint, er habe lange kein Theater mehr spielen wollen, weil „die Regisseure der eigentlichen Stärke des Theaters nicht mehr getraut [haben], seinem archaischen Zauber.“ Er fügt hinzu, er sei „damals ausgestiegen, als die Regisseure anfingen, sich über die dramatische Literatur zu erheben und in Ermangelung neuer und eigener Stücke fragmentierten und zerstörten, was mir wertvoll war. Sie haben die Figuren und Autoren nicht mehr ernst genommen und sich auf eine blasierte Art über vieles hinweggesetzt. Es wurde laut, hohl und blöd – kaum ein Theater mehr für die Zuschauer.“
Theater, das nicht für die Zuschauer gemacht wird und daher bei diesen auch nicht ankommt, macht sich aber selbst überflüssig. Dabei kann Theater den Zuschauer auf vielen Ebenen ansprechen: „It’s a cracking night that makes you laugh, think and feel – sometimes all at the same time.“ Charles Spencer rezensiert hier eine Aufführung des Stücks Hysteria von Terry Johnson. Man kann Aufführungen wie die von Hysteria altmodisch finden, weil sie dem Zuschauer nicht mehr abverlangen als zuzuhören und sich auf das Thema einzulassen. Der Zuschauer wird nicht 'wach gerüttelt', nicht schockiert, nicht aus seiner Welt gehebelt. Aber will das Publikum ständig 'wach gerüttelt' werden bzw. geht das überhaupt? Stumpft es dann nicht vielmehr komplett ab?
Ein englischer Zuschauer kommentierte die Inszenierung des innovativen Stücks Three Kingdoms wie folgt: „This is Sebastian Nübling’s show – which is really exciting to watch, but nothing to do with feeling, and all about spectacle.” Das Publikum wird zwar intellektuell unterhalten, aber seine Gefühle werden nicht erreicht. Ich bin überzeugt, dass man so keine nachhaltige Wirkung beim Publikum erzielt und außerdem viele Zuschauer abschreckt, die mehr wollen als nur auf intellektueller Ebene angesprochen werden. Zuschauer, die mehr wollen, sind nicht dümmer, sondern tatsächlich sogar anspruchsvoller. Braucht es so viel, um sie zufrieden zu stellen? Dazu noch mal Ulrich Tukur: „Du brauchst nur eine Glühbirne, zwei gute Schauspieler und einen tollen Text – und du kannst eine Welt erzählen.“
In der heutigen Zeit stellt sich auch immer gleich die Frage, ob im Theater nicht politisch Stellung genommen werden muss. Mir scheint das nicht das vorrangige Ziel. Ich glaube gerade jetzt, wo die Gesellschaft zusehends fragmentiert, hat Theater vor allem die Aufgabe – zumindest für die Zeit der Aufführung – die Zuschauer zu verbinden. Sven-Eric Bechtolf formuliert diesen Anspruch wie folgt: „Ich denke, dass dem Theater Moderation ansteht und nicht Beihilfe zur Eskalation, indem es die Vorläufigkeit, Zerbrechlichkeit und Bedürftigkeit all unserer Einsichten, Ansichten, ja, unserer ganzen Existenz mitfühlend aufzeigt.“
Zum Schluss noch die Empfehlung dreier Stücke, die mich nachhaltig beeindruckt haben. Da wäre zuerst einmal das schon oben erwähnte „Hysteria“ von Terry Johnson. Dann „Bad Jews“ von Joshua Harmon, das die für Juden und Deutsche gleichermaßen wichtige Frage stellt, wie werden wir uns langfristig adäquat an den Holocaust erinnern. Und zuletzt „Translations“ von Brian Friel, ein Stück, das viel mit Sprache bzw. der Übertragung von der einen in die andere Sprache spielt und gleichzeitig ein Stück irische Geschichte erzählt. Alle drei Stücke schaffen es, intelligent zu unterhalten und den Zuschauer auch emotional einzubinden. So bleiben sie und ihre Themen einem im Gedächtnis. Ist das nicht das Ziel?
Zitate von Ulrich Tukur aus einem Artikel von Ira Schaible in der Abendzeitung vom 28.12.2015
Zitat von Sven-Eric Bechtolf aus einem Interview mit Georg Etscheit aus der Abendzeitung vom 14.7.2016