„I feel like they’ve taken my smile and I can never have it back."[1]
Vor einiger Zeit habe ich angefangen, mich für das Thema Prostitution zu interessieren. Zuerst ging es mir vor allem um Prostitution in Italien, wo ein besonders großer Anteil der Prostituierten aus Nigeria kommen. Je mehr ich mich mit den Gründen dafür beschäftigte, desto mehr erfuhr ich über den Frauenhandel aus Nigeria, aber auch aus anderen Ländern, nach Europa.
Für jemanden wie mich (Westeuropäerin, Ende 40, Mutter zweier minderjähriger Kinder, in einigermaßen gesicherten finanziellen Umständen) kann die Welt der Prostitution und des Frauenhandels sehr weit weg erscheinen. Vermutlich geht das vielen Frauen in Westeuropa so, aber ich befürchte, dass wir da einen großer Fehler machen. Wir sollten uns auch nicht lediglich aus humanitären Gründen bzw. Solidarität mit anderen Frauen gegen den Frauenhandel engagieren, sondern haben tatsächlich ein ureigenstes Interesse daran, uns dagegen einzusetzen. Man muss kein Hardliner gegen Prostitution sein, um zu sehen, dass das massenweise Angebot billiger sexueller Dienste das Kräfteverhältnis zwischen den Geschlechtern zuungunsten der Frauen verschiebt. Wenn eine ständig wachsende Anzahl von Frauen sich immer billiger anbietet, werden sie für immer mehr Männer immer öfter erschwinglich. Was das für Folgen in den Köpfen der Käufer haben kann, zeigt folgendes Erlebnis, das Mary Kreutzer und Corinna Milborn in ihrem Buch „Ware Frau“ (2008) beschreiben. In einem Nachtklub in Lagos lernten die beiden Journalistinnen einen 60jährigen Engländer kennen, dessen Familie (Frau und drei Töchter) in London leben.
„Er schickt ein Mädchen, ihm sein Getränk zu holen, und meint triumphierend: „In England würde mir niemand den Drink nachbringen, da würde mich so eine schöne Frau nicht einmal ansehen. Hier hingegen respektiert man ältere Menschen.“ Dass er die Frauen für diesen Respekt und den Sex bezahlen muss, stört ihn nicht. „Alle Frauen sind Prostituierte, auch meine Frau in London – schließlich lebt sie von dem Geld, das ich ihr schicke.“[2]
Beim ersten Lesen dieser Zeilen stockte mir der Atem, denn man kann seinen Worten deutlich ablesen, dass er die Käuflichkeit der (hier nigerianischen) Prostituierten inzwischen auf alle Frauen überträgt. Männer müssen auch nicht nach Lagos versetzt werden, um Sex für 30 Euro und weniger zu bekommen. Den gibt es auch in deutschen Großstädten und vielen Grenzorten. Selbst München, der deutschen Stadt mit den angeblich höchsten Preisen für sexuelle Dienste, hat aktuell neun Straßenstriche mit ‚günstigen‘ Tarifen.[3]
Auch wenn Frauen meinen, ihre‘ Männer seien keine Freier und meilenweit von einer Haltung wie der des Geschäftsmanns in Lagos entfernt, können sie das Gleiche mit Sicherheit von anderen Männern in ihrem Umfeld behaupten? Also Männern, von denen unter Umständen ihre berufliche Zukunft abhängt? Hier geht es nicht darum, Männer zu verteufeln, die Prostituierte aufsuchen, wohl aber darum, das Prostitution immer bedeutet, dass eine Frau zur Ware wird. Je leichter diese Ware zu erhalten ist und je billiger sie wird, desto weniger ist sie wert. Und plötzlich gilt das dann für alle Frauen. Wenn wir eine solche Entwicklung nicht wollen, sollten wir uns gegen Frauenhandel einsetzen.
www.frauenhandel.de
www.solwodi.de
[1] Zitat der Kopfzeile aus Stolen Smiles: a summary report on the physical and psychological health consequences of women and adolescents trafficked in Europe. Cathy Zimmerman, Mazeda Hossain, Kate Yun, Brenda Roche, Linda Morrison, Charlotte Watts, The London School of Hygiene & Tropical Medicine, London 2006, S.2
[2] Ware Frau, Mary Kreutzer, Corinna Milborn, (2008), S. 96
[3] TZ, 31.1.2014, S.8 Neben dem Straßenstrich gibt es in München noch ca. 180 Bordelle und Laufhäuser.
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Für jemanden wie mich (Westeuropäerin, Ende 40, Mutter zweier minderjähriger Kinder, in einigermaßen gesicherten finanziellen Umständen) kann die Welt der Prostitution und des Frauenhandels sehr weit weg erscheinen. Vermutlich geht das vielen Frauen in Westeuropa so, aber ich befürchte, dass wir da einen großer Fehler machen. Wir sollten uns auch nicht lediglich aus humanitären Gründen bzw. Solidarität mit anderen Frauen gegen den Frauenhandel engagieren, sondern haben tatsächlich ein ureigenstes Interesse daran, uns dagegen einzusetzen. Man muss kein Hardliner gegen Prostitution sein, um zu sehen, dass das massenweise Angebot billiger sexueller Dienste das Kräfteverhältnis zwischen den Geschlechtern zuungunsten der Frauen verschiebt. Wenn eine ständig wachsende Anzahl von Frauen sich immer billiger anbietet, werden sie für immer mehr Männer immer öfter erschwinglich. Was das für Folgen in den Köpfen der Käufer haben kann, zeigt folgendes Erlebnis, das Mary Kreutzer und Corinna Milborn in ihrem Buch „Ware Frau“ (2008) beschreiben. In einem Nachtklub in Lagos lernten die beiden Journalistinnen einen 60jährigen Engländer kennen, dessen Familie (Frau und drei Töchter) in London leben.
„Er schickt ein Mädchen, ihm sein Getränk zu holen, und meint triumphierend: „In England würde mir niemand den Drink nachbringen, da würde mich so eine schöne Frau nicht einmal ansehen. Hier hingegen respektiert man ältere Menschen.“ Dass er die Frauen für diesen Respekt und den Sex bezahlen muss, stört ihn nicht. „Alle Frauen sind Prostituierte, auch meine Frau in London – schließlich lebt sie von dem Geld, das ich ihr schicke.“[2]
Beim ersten Lesen dieser Zeilen stockte mir der Atem, denn man kann seinen Worten deutlich ablesen, dass er die Käuflichkeit der (hier nigerianischen) Prostituierten inzwischen auf alle Frauen überträgt. Männer müssen auch nicht nach Lagos versetzt werden, um Sex für 30 Euro und weniger zu bekommen. Den gibt es auch in deutschen Großstädten und vielen Grenzorten. Selbst München, der deutschen Stadt mit den angeblich höchsten Preisen für sexuelle Dienste, hat aktuell neun Straßenstriche mit ‚günstigen‘ Tarifen.[3]
Auch wenn Frauen meinen, ihre‘ Männer seien keine Freier und meilenweit von einer Haltung wie der des Geschäftsmanns in Lagos entfernt, können sie das Gleiche mit Sicherheit von anderen Männern in ihrem Umfeld behaupten? Also Männern, von denen unter Umständen ihre berufliche Zukunft abhängt? Hier geht es nicht darum, Männer zu verteufeln, die Prostituierte aufsuchen, wohl aber darum, das Prostitution immer bedeutet, dass eine Frau zur Ware wird. Je leichter diese Ware zu erhalten ist und je billiger sie wird, desto weniger ist sie wert. Und plötzlich gilt das dann für alle Frauen. Wenn wir eine solche Entwicklung nicht wollen, sollten wir uns gegen Frauenhandel einsetzen.
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[1] Zitat der Kopfzeile aus Stolen Smiles: a summary report on the physical and psychological health consequences of women and adolescents trafficked in Europe. Cathy Zimmerman, Mazeda Hossain, Kate Yun, Brenda Roche, Linda Morrison, Charlotte Watts, The London School of Hygiene & Tropical Medicine, London 2006, S.2
[2] Ware Frau, Mary Kreutzer, Corinna Milborn, (2008), S. 96
[3] TZ, 31.1.2014, S.8 Neben dem Straßenstrich gibt es in München noch ca. 180 Bordelle und Laufhäuser.
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