Während die #metoo Debatte in den USA, in England und Schweden eine großes Echo fand, blieb die Reaktion in Deutschland so verhalten, dass Georg Diez sich fragte, „Warum ist es so still in Deutschland?“
Ende Januar 2018 erschien in der Zeit ein Artikel, in dem gegen Regisseur Dietel Wedel schwere Vorwürfe (Gewalt, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung) erhoben wurden. Nach dem Lesen des Artikels, schrieb Regisseur Simon Verhoeven einen emotionalen facebook Eintrag, in dem er Partei für die Frauen ergriff und schrieb, er schäme sich für die Mechanismen in seiner Branche, wo „verharmlost, verdrängt und verschwiegen“ worden sei. Der Eintrag fand große Beachtung und die #metoo Debatte schien -- verspätet – auch in Deutschland begonnen zu haben.
Während in den anderen Ländern vor allem Frauen zu Wort kamen, wird die #metoo Debatte hier aber vorrangig von Männern geführt.
Zuerst spricht der SPIEGEL mit Verhoeven. Wenige Tage später gibt Ulrich Tukur dem SPIEGEL ein Interview, um auf Verhoeven Aussagen zu reagieren. Tukur positioniert sich auf seiten des beschuldigten Regisseurs: „Mir tut es aber auch sehr leid für Dieter Wedel. -- Sie meinen für den Fall, dass er unschuldig sein sollte? -- Selbst wenn er sich dieser Taten schuldig gemacht hätte.“ Tukurs Haltung provoziert und kurz darauf regt sich Regisseur Sebastian Schipper im SPIEGEL darüber auf. Auf die Frage, ob sich durch #metoo nachhaltig etwas ändern wird, antwortet Schipper: „ Ein paar dumme, alte Säcke werden es nicht mehr lernen. [...] Da wird wirklich verzweifelt an alten Strukturen und Sicherheiten festgehalten.“ Auf Michael Hanekes Aussage angesprochen, dass #metoo eine Hexenjagd sei, meint Schipper: „Was Haneke da sagt, ist bestürzend. [...] das Wort „Hexenjagd“ ist in diesem Zusammenhang unsinnig. Damit bringt er ja zum Ausdruck, das Wesentliche an der Debatte um Missbrauch von Frauen sei, dass Männern Unrecht getan werde.“
Im SPIEGEL äußern sich zwar vor allem Männer, aber sie sind zum Teil immerhin auf der Seite der Frauen. In den linken Nachdenkseiten wird das Thema auch fast nur von Männern behandelt und diese zeigen deutlich weniger Verständnis für die #metoo Debatte: „Dabei geht es nicht primär um die Rechte von Frauen sondern um die gesellschaftliche und politische Machtposition der Initiatorinnen, privilegierten, akademisch gebildeten, weißen Frauen aus der oberen Mittelschicht.“
Dieser Vorwurf trifft aber in Deutschland überhaupt nicht zu. Denn tatsächlich melden sich hier kaum ‚privilegierte, akademisch gebildete, weiße Frauen‘ öffentlich zu dem Thema zu Wort. Wenn sie es tun, wie z.B. Gerichtsjournalistin Gisela Friedrichsen, üben sie oft vernichtende Kritik an #metoo. Friedrichsen nennt die öffentlichen Anschuldigungen gegen Wedel eine „mediale Hinrichtung“. In einer Talk Show zu dem Thema kommt es zur absurden Situation, dass die drei Männer (Markus Lanz, Til Schweiger, Peter Maffay) mehr Verständnis für die (weiblichen) Opfer sexuellen Missbrauchs aufbringen als Friedrichsen. Friedrichsen vertritt vehement die Meinung, dass Opfer eines sexuellen Missbrauchs Anzeige erstatten müssten. Ansonsten trügen sie mit Schuld daran, wenn nach ihnen weitere Personen missbraucht würden. Dass Frauen aufgrund des veränderten gesellschaftlichen Klimas erst jetzt über sexuellen Missbrauch in der Vergangenheit reden wollen, hält sie für unzulässig. „Wenn ein ‚Opfer‘ es nicht schafft, binnen immerhin 20 Jahren solche Vorwürfe amtlich geltend zu machen, muss und darf auch irgendwann Schluss sein.“ Gegenargumente wie ein großes Machtgefälle zwischen Täter und Opfer, fehlende finanzielle Mittel, etc. lässt Friedrichsen nicht gelten. Die ablehnende Haltung von Frauen wie Friedrichsen bewegt Vera Schroeder dazu, in der SZ einen Artikel mit der Überschrift „Jüngere und ältere Frauen müssten jetzt zusammenhalten“ zu schreiben.
Während in Schweden Frauen in den unterschiedlichsten Berufsbranchen öffentlich über Machtmissbrauch gesprochen haben, bleibt #metoo in Deutschland auf die Filmbranche beschränkt. Eine breite Bewegung unter Schauspielerinnen wie das Time’s up Movement in England ist unvorstellbar. Arrivierte Schauspielerinnen melden sich kaum zu Wort und wenn stehen sie tendenziell mehr auf der Seite der Männer oder üben starke Kritik an ihren Kolleginnen. (1)
Am 17.3.2018 nimmt sich der Stockholmer Intendant Benny Frederiksson nach öffentlichen Anschuldigungen das Leben. In den deutschen (im Gegensatz zu den britischen) Medien wird zeitnah und flächendeckend darüber berichtet. Der Freitod Frederikssons scheint denjenigen Recht zu geben, die meinen #metoo führe zu einer Hexenjagd.
Wenige Tage nach dem Tod Frederikssons teilt die Produktionsfirma Bavaria-Film mit, dass sie keine Belege zu möglichen sexuellen Übergriffen von Regisseur Dieter Wedel vorliegen haben. Damit ist die #metoo Debatte hier vermutlich endgültig beendet.
Die Art und Weise wie die Debatte in Deutschland geführt wurde, macht deutlich, dass Feminismus hier ein Nischeninteresse ist. Es gibt eine lebendige Subkultur, aber eine breite Bewegung unter ‚normalen‘ Frauen gibt es nicht. Sandra Konrad meint im Bezug auf #metoo sogar, dass es „oft erschreckend wenig Solidarität zwischen den Frauen gebe.“
Dass es für uns Frauen aber naiv ist, uns auf den guten Willen von Männern zu verlassen, hat vor kurzem (auch wieder) ein Mann deutlich gemacht. Der Kabarettist Sebastian Pufpaff formulierte es ironisch: „Wenn Sie sich jetzt aufregen, können Sie mir gern einen Brief schreiben. Sie können auch der Redaktion einen Brief schreiben. Sie können sich beschweren. Sie können mich auch anzeigen. Wissen Sie, was das Schöne ist? Wir warten einfach zwei, drei Wochen, dann ist das wieder egal. [...] So ist Gleichberechtigung in unserem Land. Eigentlich ist es uns scheißegal. Jedenfalls uns Männern.“
Ich möchte aber gern der bekannten Schauspielerin und Regisseurin Karoline Herfurth das letzte Wort zu #metoo überlassen: „Ich finde, es richtig, dass diese Diskussion aufbricht und dass Männer, aber auch Frauen, die Gewalt ausüben gesellschaftlich vernichtet werden. Das ist ein bisschen hart gesagt, aber dass sie einfach fallen – so wie alle anderen Straftäter ja auch fallen. Ich finde es richtig, und nicht, dass die Toleranz oder die Akzeptanz von Gewalt bestehen bleiben darf.“ Auf die Frage, ob die Filmbranche besonders prädestiniert für akzeptierte Grenzüberschreitungen sei, sagt Herfurth: „Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.“
Ende Januar 2018 erschien in der Zeit ein Artikel, in dem gegen Regisseur Dietel Wedel schwere Vorwürfe (Gewalt, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung) erhoben wurden. Nach dem Lesen des Artikels, schrieb Regisseur Simon Verhoeven einen emotionalen facebook Eintrag, in dem er Partei für die Frauen ergriff und schrieb, er schäme sich für die Mechanismen in seiner Branche, wo „verharmlost, verdrängt und verschwiegen“ worden sei. Der Eintrag fand große Beachtung und die #metoo Debatte schien -- verspätet – auch in Deutschland begonnen zu haben.
Während in den anderen Ländern vor allem Frauen zu Wort kamen, wird die #metoo Debatte hier aber vorrangig von Männern geführt.
Zuerst spricht der SPIEGEL mit Verhoeven. Wenige Tage später gibt Ulrich Tukur dem SPIEGEL ein Interview, um auf Verhoeven Aussagen zu reagieren. Tukur positioniert sich auf seiten des beschuldigten Regisseurs: „Mir tut es aber auch sehr leid für Dieter Wedel. -- Sie meinen für den Fall, dass er unschuldig sein sollte? -- Selbst wenn er sich dieser Taten schuldig gemacht hätte.“ Tukurs Haltung provoziert und kurz darauf regt sich Regisseur Sebastian Schipper im SPIEGEL darüber auf. Auf die Frage, ob sich durch #metoo nachhaltig etwas ändern wird, antwortet Schipper: „ Ein paar dumme, alte Säcke werden es nicht mehr lernen. [...] Da wird wirklich verzweifelt an alten Strukturen und Sicherheiten festgehalten.“ Auf Michael Hanekes Aussage angesprochen, dass #metoo eine Hexenjagd sei, meint Schipper: „Was Haneke da sagt, ist bestürzend. [...] das Wort „Hexenjagd“ ist in diesem Zusammenhang unsinnig. Damit bringt er ja zum Ausdruck, das Wesentliche an der Debatte um Missbrauch von Frauen sei, dass Männern Unrecht getan werde.“
Im SPIEGEL äußern sich zwar vor allem Männer, aber sie sind zum Teil immerhin auf der Seite der Frauen. In den linken Nachdenkseiten wird das Thema auch fast nur von Männern behandelt und diese zeigen deutlich weniger Verständnis für die #metoo Debatte: „Dabei geht es nicht primär um die Rechte von Frauen sondern um die gesellschaftliche und politische Machtposition der Initiatorinnen, privilegierten, akademisch gebildeten, weißen Frauen aus der oberen Mittelschicht.“
Dieser Vorwurf trifft aber in Deutschland überhaupt nicht zu. Denn tatsächlich melden sich hier kaum ‚privilegierte, akademisch gebildete, weiße Frauen‘ öffentlich zu dem Thema zu Wort. Wenn sie es tun, wie z.B. Gerichtsjournalistin Gisela Friedrichsen, üben sie oft vernichtende Kritik an #metoo. Friedrichsen nennt die öffentlichen Anschuldigungen gegen Wedel eine „mediale Hinrichtung“. In einer Talk Show zu dem Thema kommt es zur absurden Situation, dass die drei Männer (Markus Lanz, Til Schweiger, Peter Maffay) mehr Verständnis für die (weiblichen) Opfer sexuellen Missbrauchs aufbringen als Friedrichsen. Friedrichsen vertritt vehement die Meinung, dass Opfer eines sexuellen Missbrauchs Anzeige erstatten müssten. Ansonsten trügen sie mit Schuld daran, wenn nach ihnen weitere Personen missbraucht würden. Dass Frauen aufgrund des veränderten gesellschaftlichen Klimas erst jetzt über sexuellen Missbrauch in der Vergangenheit reden wollen, hält sie für unzulässig. „Wenn ein ‚Opfer‘ es nicht schafft, binnen immerhin 20 Jahren solche Vorwürfe amtlich geltend zu machen, muss und darf auch irgendwann Schluss sein.“ Gegenargumente wie ein großes Machtgefälle zwischen Täter und Opfer, fehlende finanzielle Mittel, etc. lässt Friedrichsen nicht gelten. Die ablehnende Haltung von Frauen wie Friedrichsen bewegt Vera Schroeder dazu, in der SZ einen Artikel mit der Überschrift „Jüngere und ältere Frauen müssten jetzt zusammenhalten“ zu schreiben.
Während in Schweden Frauen in den unterschiedlichsten Berufsbranchen öffentlich über Machtmissbrauch gesprochen haben, bleibt #metoo in Deutschland auf die Filmbranche beschränkt. Eine breite Bewegung unter Schauspielerinnen wie das Time’s up Movement in England ist unvorstellbar. Arrivierte Schauspielerinnen melden sich kaum zu Wort und wenn stehen sie tendenziell mehr auf der Seite der Männer oder üben starke Kritik an ihren Kolleginnen. (1)
Am 17.3.2018 nimmt sich der Stockholmer Intendant Benny Frederiksson nach öffentlichen Anschuldigungen das Leben. In den deutschen (im Gegensatz zu den britischen) Medien wird zeitnah und flächendeckend darüber berichtet. Der Freitod Frederikssons scheint denjenigen Recht zu geben, die meinen #metoo führe zu einer Hexenjagd.
Wenige Tage nach dem Tod Frederikssons teilt die Produktionsfirma Bavaria-Film mit, dass sie keine Belege zu möglichen sexuellen Übergriffen von Regisseur Dieter Wedel vorliegen haben. Damit ist die #metoo Debatte hier vermutlich endgültig beendet.
Die Art und Weise wie die Debatte in Deutschland geführt wurde, macht deutlich, dass Feminismus hier ein Nischeninteresse ist. Es gibt eine lebendige Subkultur, aber eine breite Bewegung unter ‚normalen‘ Frauen gibt es nicht. Sandra Konrad meint im Bezug auf #metoo sogar, dass es „oft erschreckend wenig Solidarität zwischen den Frauen gebe.“
Dass es für uns Frauen aber naiv ist, uns auf den guten Willen von Männern zu verlassen, hat vor kurzem (auch wieder) ein Mann deutlich gemacht. Der Kabarettist Sebastian Pufpaff formulierte es ironisch: „Wenn Sie sich jetzt aufregen, können Sie mir gern einen Brief schreiben. Sie können auch der Redaktion einen Brief schreiben. Sie können sich beschweren. Sie können mich auch anzeigen. Wissen Sie, was das Schöne ist? Wir warten einfach zwei, drei Wochen, dann ist das wieder egal. [...] So ist Gleichberechtigung in unserem Land. Eigentlich ist es uns scheißegal. Jedenfalls uns Männern.“
Ich möchte aber gern der bekannten Schauspielerin und Regisseurin Karoline Herfurth das letzte Wort zu #metoo überlassen: „Ich finde, es richtig, dass diese Diskussion aufbricht und dass Männer, aber auch Frauen, die Gewalt ausüben gesellschaftlich vernichtet werden. Das ist ein bisschen hart gesagt, aber dass sie einfach fallen – so wie alle anderen Straftäter ja auch fallen. Ich finde es richtig, und nicht, dass die Toleranz oder die Akzeptanz von Gewalt bestehen bleiben darf.“ Auf die Frage, ob die Filmbranche besonders prädestiniert für akzeptierte Grenzüberschreitungen sei, sagt Herfurth: „Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.“
- Heike Makatsch fragt sich, „was es für die Kunst bedeute, „dass so viele Männer im Kulturbetrieb schuldig gesprochen werden.“ (In Deutschland gab es nur Anschuldigungen gegen Dieter Wedel.) Sie findet es auch nicht gut, „wenn ein Regisseur Frauen erniedrigt, ich meine aber schon, dass es Künstlerpersönlichkeiten gibt, mit denen die Arbeit nicht immer ein Vergnügen ist. Und das sind oft die Interessanteren.“ Maren Kroymann sagt über ihre Kolleginnen: „Bei uns hat sich kaum eine der wirklich berühmten Frauen geäußert. Vielleicht weil sie wissen, dass Frauen im Zweifelsfall von den angeklagten Männern mitunter profitiert haben. Ich finde, zu einer Aufarbeitung dieser Sache gehört auch, dass Frauen zugeben, davon profitiert zu haben.“